In 1928 Pablo Picasso asked metalsmith and sculptor Julio Gonzáles to recreate the grid-like structures of his drawings in the form of wire models. Formal constellations are read completely differently on a flat surface than in three-dimensional space. This issue continued to preoccupy Picasso in his sculptural experiments and plays an equally central role in Rebecca Michaelis’ artistic practice. Circular forms dominate her most recent large-scale paintings, appearing either as colorful planes or as outlines, whole or in sections. Physically speaking the circles are all located on the same plane — the painted canvas. Their frequent overlaps, however, suggest the presence of multiple spatial planes, permeating each other in manifold ways. The viewer cannot distinguish between them optically or intellectually, rather like the different layers of a Photoshop project. Unlike Picasso, Rebecca Michaelis did not need the help of a sculptor in order to illustrate the complex interplay of forms that underlies the structure of her works. She created three-dimensional versions of her most recent paintings in the form of mobiles in 2013 / 2014. These consisted of aluminium rings of different sizes and colours that constantly created new constellations through their movement through space, resulting in an infinite variety of optical intersections. One could see this as the sum of possible movements in a given space, but also as a correspondence of different spatial segments formed by single rings or circles, harking back to the cubist view of space that underpinned Picasso’s grid drawings. Rebecca Michaelis’ pictures, however, also address newer spatial concepts, such as the psychedelic circle, as found in 1960s and 1970s design such as Verner Panton, or the experience of three-dimensional digital simulations. Rebbeca Michaelis’ paintings show that even in an age where the moving or constantly changing image is the norm, painting can find striking ways to react to an increasingly fast-moving environment. Her brushstrokes — deliberately visible — also express the moment of movement. Every image, as compositionally balanced as it may be, ultimately only shows one possible constellation amongst many others. This constellation, had it not been arrested by painterly means, would have already changed in the next moment.
Text Ludwig Seyfarth
Translated by Katja Taylor
1928 bat Pablo Picasso den Kunstschmied und Bildhauer Julio Gonzáles, die gitterartigen Strukturen, die er auf einer Reihe von Zeichnungen festgehalten hatte, als plastische Drahtmodelle nachzubilden. Konstellationen von Formen sind als Flächenmuster ganz anders lesbar, als wenn man sie im Raum umwandern kann. Diese für Picassos Ausflüge in die Skulptur grundlegende Frage spielt auch im künstlerischen Vorgehen von Rebecca Michaelis eine zentrale Rolle. Kreisformen, die als farbig ausgefüllte Flächen oder nur durch die Umrisslinie markiert, vollständig oder nur als Teilsegmente in Erscheinung treten, sind die auffälligsten Elemente auf den neuesten, großformatigen Gemälden der Künstlerin. Rein physisch befinden sich all diese Kreisformen auf der gleichen Ebene, nämlich auf der bemalten Leinwand. Ihre vielfältigen Überschneidungen suggerieren allerdings das Vorhandensein verschiedener räumlicher Ebenen. Diese scheinen einander vielfältig zu durchdringen, so dass wir sie als Betrachter nicht optisch oder mental auseinanderhalten können, wie etwa die verschiedenen Layers, die wir aus der Arbeit mit Photoshop gewohnt sind. Um die komplexen Interferenzen zu veranschaulichen, auf denen die flächig-räumliche Struktur ihrer Bilder basiert, brauchte die Malerin Rebecca Michaelis allerdings nicht wie Picasso die Hilfe eines plastischen Künstlers. Sie selbst lieferte die dreidimensionale Version ihrer neuesten Gemälde gleichsam vorweg. 2013 / 14 entstanden mehrere Mobiles aus unterschiedlich großen kreisförmigen, teilweise farbig gefassten Aluminiumringen, die durch ihre mehr oder weniger starke Bewegung immer wieder neue Konstellationen zueinander bilden, wodurch sich eine unendliche Vielfalt optischer Überschneidungen ergibt. Man könnte das als Summe von Bewegungen in einem Raum auffassen, aber auch als eine Korrespondenz verschiedener “Raumsegmente”, die durch die einzelnen Ringe beziehungsweise Kreise gebildet werden. Das entspräche der kubistischen Raumauffassung, die auch hinter Picassos Gitterzeichnungen stand. In Rebecca Michaelis’ Bilder fließen jedoch auch viele neuere Raumkonzepte ein, etwa ein psychedelisches Kreisen, wie wir es im Design der 1960er und 1970er Jahre etwa bei Verner Panton finden, oder auch die Erfahrung digitaler 3D-Simulationen. Die Gemälde von Rebecca Michaelis zeigen, dass die Malerei auch in einem Zeitalter, in dem das bewegte bzw. ständig veränderbare Bild der Normalfall geworden ist, schlagkräftige Mittel findet, um auf eine immer bewegtere visuelle Umwelt zu reagieren. Auch die bewusst sichtbaren Pinselführungen bringen das Moment der mitgedachten Bewegung zum Ausdruck. Jedes Bild, so kompositorisch ausgewogen es erscheint, zeigt letztlich nur eine mögliche Konstellation unter vielen anderen. Diese hätte sich, wenn sie nicht malerisch festgehalten wäre, bereits im nächsten Moment wieder verändert.
Text Ludwig Seyfarth