Martin Flemming - IN THE BELLY OF AN ARCHITECT

28 Apr – 18 Jun 2011
Exhibition view Galerie koal / 2011
From the secret Sketchbook of an unknown Architect exhibition view Sankt Georgen, Frankfurt a.M. / 2011
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Die Galerie freut sich, ab dem 28. April bis zum 18. Juni 2011 eine zweite Einzelausstellung des Künstlers Martin Flemming mit dem Titel „In the belly of an architect“ in ihren Räumen zu präsentieren. Die Eröffnung findet am Mittwoch, dem 27. April statt.

Mit der Arbeit „Komposition in Grau (rue de béton)“, die im Sommer 2010 das erste Mal in Form eines Filmes präsentiert wurde und sich seitdem in ständiger Weiterentwicklung befindet, setzt sich Martin Flemming mit Formensprachen der Moderne auseinander.

Die Arbeiten in der Ausstellung mäandrieren durch vielfältige Zustände, Materialien und Bedeutungszusammenhänge: 
Ein Film zeigt Formen, die sich in unzähligen Spiegelungen eines Kaleidoskops brechen, begleitet vom Rattern eines Projektors. Aus den bewegten Bildern des Films greift der Künstler einzelne Momentzustände skizzenhaft heraus und lässt sie in Form von Objekten in die Dreidimensionalität eintreten. Wie zufällig gestrandet ragen mehrere dieser geometrischen Körper aus dem Boden des Ausstellungsraums. Eine 4x12m große Wandzeichnung hält wiederum einen Moment des bewegten Formenspiels fest, diesmal jedoch als zweidimensionales Ornament. 
Kaleidoskop bedeutet wörtlich übersetzt „schöne Formen sehen“. Der Künstler greift in seinen Arbeiten verschiedene Formen und Strömungen der Moderne auf, die sich zu einer neuen und veränderten Komposition verbinden. Sie beinhaltet Anklänge an ornamentale und architektonische Formensprache, der Film stellt eine Verbindung zu frühen Experimentalfilmen aus den 1920er Jahren her. 
Auf das mathematische Spiegelungsprinzip eines Kaleidoskops zurückgreifend, entwickelt Flemming so eine konstruktive und zugleich spielerisch-zufällige Strategie der Formfindung. Sie generiert und reflektiert in mehreren Stufen und unterschiedlichen Medien charakteristische Elemente des Brutalismus,  wie dessen gebrochene Sichtbeton-Oberflächen oder die geometrische Körperlichkeit der Architektur. Alle Elemente sind dabei verbunden durch die Farbe Grau. Sie ist ein visueller Reiz, dunkler als Weiß, heller als schwarz, irgendwo in between ohne eigene Farbe: eine unbunte Farbe. Die Bezeichnung der einzelnen Stufungen wie reingrau oder  neutralgrau soll betonen, dass kein Farbstich vorliegt; lediglich die Helligkeit macht ihren besonderen Charakter aus. Die kreative Potenz liegt im Licht – und in der Reaktion des Betrachters.
Der Architekt der Moderne, Le Corbusier, charakterisierte den Sichtbeton, diesen Verbundstein aus Sand und Zement, als ein Material, „das […] würdig ist, in seiner natürlichen Erscheinungsform gezeigt zu werden. Absolute Originaltreue, völlige Exaktheit im Vergleich zum Abguss; Beton ist ein Material, das nichts anderes vorgibt.“  Doch in Martin Flemmings Präsentation ist nichts, wie es scheint. Die Stadien der Konstruktion hinterfragen in jedem Schritt ihre eigene Originalität und Materialität. Die Skulpturen mimen lediglich Struktur und Optik von Sichtbeton. Der Film ist eine Zeichnung, die Fahrt der Kamera bricht im Kaleidoskop in Unschärfen hinein.  Die Arbeiten der Ausstellung lassen neue Formen sehen, sie zeigen sich dem Betrachter verschlüsselt und sind ihm zugleich unmittelbar zugänglich, im Unscharfen ganz fokussiert.
Viera Pirker, Frankfurt a. Main, 2011

  Zit. n. Yves Bouvier, Christophe Cousin: Ronchamp. Eine Kapelle des Lichts, Besançon 2005, S. 50.